Daten-Auswertungen
In diesem Jahr jährt sich das Inkrafttreten der Insolvenzrechtsreform vom 1. März 2012 (ESUG) zum zehnten Mal. Mit dem ESUG wurde die Eigenverwaltung, die sogenannte Sanierung in eigener Regie, für die Verfahrensbeteiligten plan- und berechenbarer. Zudem wurde das Schutzschirmverfahren eingeführt. Vor diesem Hintergrund bilden die sogenannten ESUG-Verfahren (Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren) in der Untersuchung einen Schwerpunkt.
Die Auswertung der 114 Zweitinsolvenzen mit dem Fokus auf die Verfahrensarten (ESUG-Verfahren / Regelinsolvenzverfahren) für den Zeitraum 1. März 2012 bis 1. Spetember 2021 bringt das Ergebnis (absolute Zahlen), dass der Anteil ohne direkten ESUG-Bezug in der Erstinsolvenz (70 Zweitinsolvenzen – Erstinsolvenz in Fremdverwaltung / kein ESUG-Verfahren, Kategorien rot und blau) im Vergleich zum Anteil mit ESUG-Bezug (44 Zweitinsolvenzen – Erstinsolvenz in Eigenverwaltung / ESUG-Verfahren, Kategorien gelb und lila) rund 1,6-mal so hoch ist.
Maßgeblich ist hierbei jedoch die weitaus größere Anzahl an Regelverfahren (70 Zweitinsolvenzen bei mindestens 54.405 vorläufigen Verfahren/Regelinsolvenzverfahren entspricht einem Wert von rund 0,0013*) im Untersuchungszeitraum im Vergleich zu den Eigenverwaltungs-/ESUG-Verfahren (44 Zweitinsolvenzen bei mindestens 2.189 Eigenverwaltungen und Schutzschirmverfahren entspricht einem Wert von rund 0,02).
* Zweitinsolvenzen können bei Regelinsolvenzverfahren nur eingeschränkt identifiziert werden. Dieser Aspekt ist bei Erkenntnis und Einordnung berücksichtigt. Bei einer zehnfach höheren Anzahl an Zweitinsolvenzen in Regelinsolvenzverfahren (700 statt 70) würde der Wert bei rund 0,013 liegen. Ein Wert von 0,02 wird bei 1.088 Zweitinsolvenzen in Regelinsolvenzverfahren erreicht, also bei einer 15-fach höheren Anzahl an Zweitinsolvenzen in Regelinsolvenzverfahren.
In der nachfolgenden Grafik können Sie die Kategorien oder die Gesamtzahl der Zweitinsolvenzen durch einen Klick auf die jeweilige Position in der Legende an- und abwählen.
Interaktive Grafik zum ESUG-Bezug
© Schultze & Braun
Erkenntnis und Einordnung
Die Kernerkenntnis der Untersuchung ist, dass mit dem Blick auf die untersuchten Zweitinsolvenzen die ESUG-Verfahren bei der Nachhaltigkeit der Sanierung nicht per se besser abschneiden als Regelinsolvenzverfahren. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass sowohl Regelinsolvenzverfahren als auch die ESUG-Verfahren für erfolgreiche und nachhaltige Sanierungen stehen.
Beleg: Die Auswertung der Daten zeigt, dass es zwischen dem 1.3.2012 und dem 1.9.2021 44 Zweitinsolvenzen gibt, bei denen die Erstinsolvenz in Eigenverwaltung („ESUG-Bezug“) erfolgt ist. 70 Zweitinsolvenzen sind hingegen in Fremdverwaltung (kein „ESUG-Bezug“) erfolgt.
Maßgeblich ist hierbei die weitaus größere Anzahl an Regelverfahren (mindestens 54.405 vorläufige Insolvenzverfahren) im Untersuchungszeitraum im Vergleich zu den Eigenverwaltungs-/ESUG-Verfahren (mindestens 2.189 Eigenverwaltungsverfahren).
Die untersuchten Zweitinsolvenzen zeigen klar, dass ESUG-Verfahren und Regelinsolvenzen für erfolgreiche und nachhaltige Unternehmenssanierungen stehen. Bei insgesamt rund 2.200 Eigenverwaltungen und Schutzschirmverfahren seit März 2012 kann sich die Nachhaltigkeitsquote definitiv sehen lassen – auch wenn keine Daten dazu vorliegen, wie viele der ESUG-Verfahren im ersten Anlauf zu einer Sanierungslösung geführt haben. Dies gilt auch für die Regelinsolvenzverfahren – also Sanierungen mit einem Insolvenzverwalter – die sich gleichwohl nicht verstecken müssen. 70 Zweitinsolvenzen bei rund 54.400 Regelinsolvenzen sprechen ebenfalls für eine hohe Nachhaltigkeitsquote.
In den Instrumentenkoffer eines Sanierers gehören die ESUG-Verfahren, aber genauso auch das Regelinsolvenzverfahren und die seit 2021 möglichen StaRUG-Restrukturierungen. Die passende Sanierungsform sollte für jedes Unternehmen immer individuell geprüft werden – besonders mit dem Blick auf die Nachhaltigkeit der Sanierung.